Fachstelle für Strahlenschutz im KSGR | Kantonsspital Graubünden

Fachstelle für Strahlenschutz im KSGR

22. Okt. 2024
Am Kantonsspital Graubünden gibt es eine neue Fachstelle für Strahlenschutz. Im Interview erklärt der zuständige Medizinphysiker Dr. Martin Hillbrand, was seine Aufgaben und die der Fachstelle sind.
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Patient auf True Beam in der Radio-Onkologie

Was sind die Aufgaben der Fachstelle Strahlenschutz am Kantonsspital Graubünden?

Wie der Name schon sagt, geht es um den Schutz vor ionisierender Strahlung. Am Kantonsspital Graubünden geht es dabei hauptsächlich um elektromagnetische Strahlung (Röntgenstrahlung) und die Strahlung, die von radioaktiven Atomen ausgeht. Im Unterschied zu den Handy-Funkwellen oder zu einem Mikrowellen-Ofen hat ionisierende Strahlung ausreichend Energie, um Elektronen aus ihrem Atomverband oder chemischen Bindungen herauszulösen. Eine der wichtigsten chemischen Verbindungen im menschlichen Körper ist die DNA, unsere Erbsubstanz. Kommt es in diesem Molekül zum Aufbrechen von Bindungen, kann das Schaden anrichten und unter Umständen zum Absterben von Zellen führen oder Krebs verursachen. Deshalb muss man sich vor dieser Strahlung schützen. Wir Medizinphysiker helfen dabei.
 

Wo genau im Spital sind Medizinphysiker denn im Einsatz?

In Bereichen, in denen mit sehr viel Dosis gearbeitet wird, gibt es uns Medizinphysiker schon sehr lange. Das ist zum Beispiel in der Strahlentherapie der Fall, wo die schädliche Wirkung der Strahlung gezielt gegen Tumore im Körper eines Patienten eingesetzt wird. Die Dosis ist hier so hoch, dass man mit Bestimmtheit vorhersagen kann, welche Wirkung sie erwünschter Weise gegen den Tumor entfalten wird. 

In Bereichen mit sehr viel geringeren Strahlendosen ist der Beizug von hochspezialisierten Medizinphysikern eher neu. Beispielsweise in der Radiologischen Bildgebung zur Diagnostik von Krankheiten und Verletzungen. Oder in der Kardiologie, wo bei minimal-invasiven Eingriffen ein dünner Katheter röntgengestützt durch ein Blutgefäss bis in das Herz vorgeschoben werden kann, um dieses von aussen sichtbar zu machen und Engstellen in den Koronargefässen mit kleinen Werkzeugen beheben zu können. Das Spektrum der Anwendungen von Röntgenstrahlung in der Computertomographie und Geräten zur Durchleuchtung hat in den vergangenen zwei Jahrzehnten enorm zugenommen. Solche Geräte finden sich heute in der überwiegenden Mehrheit der Abteilungen in einem grossen Zentrumsspital; Chirurgie, Urologie, Kardiologie, Orthopädie, Schmerztherapie, um nur einige der Anwendungsfelder zu nennen. In der Nuklearmedizin werden radioaktive Stoffe eingesetzt, um physiologische Prozesse im Inneren des Körpers von aussen sichtbar zu machen oder aber auch zur Therapie von Erkrankungen.
 

Also wird dort weniger Strahlung eingesetzt?

Im Vergleich zur Strahlentherapie ist die Strahlendosis hier sehr gering. Dennoch besteht auch hier ein kleines Risiko für gewisse Konsequenzen durch die Strahlenexposition. Je mehr Dosis, desto höher die Wahrscheinlichkeit. Der Gesetzgeber schreibt deshalb ein sogenanntes ALARA Prinzip vor. ALARA steht für As Low As Reasonable Achievable– also etwa, dass der Einsatz der Strahlung so gering sein muss, wie es nach dem Stand der Wissenschaft und Technik möglich ist, um einen gewissen medizinischen Nutzen aus der Anwendung zu ziehen. Mit einer Überarbeitung der Strahlenschutz-Gesetzgebung seit Beginn des Jahres 2018 ist nun auch für diese Bereiche der Beizug eines Medizinphysikers verpflichtend.
 

Was macht denn der Medizinphysiker den ganzen Tag lang?

Im radiologischen Strahlenschutz besteht eine unserer Aufgaben beispielsweise darin, Tausende von Patientenbehandlungen und die dabei entstandene Exposition zu analysieren und mit Hilfe von statistischen Auswertungen und viel Hintergrundwissen zu kontrollieren, dass unsere Patientinnen und Patienten wirklich nur dem absolut notwendigen Mass an Strahlung ausgesetzt sind – nicht mehr und nicht weniger. Die Erkenntnisse daraus sind eine wichtige Grundlage, um gemeinsam mit den Ärztinnen und Ärzten Untersuchungsabläufe und Eingriffe immer weiter zu optimieren.

Eine weitere wichtige Massnahme ist aber auch, den medizinischen Spezialistinnen die technischen und physikalischen Hintergründe und die Konsequenzen ihres Handelns regelmässig vor Augen zu führen. Dazu bieten wir in regelmässigen Abständen vertiefende theoretische und praktische Fortbildungen für die medizinischen Anwender an.

Nicht zuletzt kümmern wir uns aber auch um die messtechnische Qualitätssicherung für die immer komplexer werdenden radiologischen Grossgeräte. Wir schauen, dass alles passt, bevor man mit den Geräten auf Patienten losgeht. Und wir helfen auch, das konsequent zu dokumentieren, zum Beispiel für Aufsichtsbehörden im Rahmen eines Audits.
 

Wie wird man Medizinphysiker?

Zunächst wird man Physiker, mit einem Masterabschluss. Danach kann man eine postgraduelle Weiterbildung zum Medizinphysiker beginnen. Diese dauert mindestens drei Jahre lang und besteht sowohl aus einer ordentlichen Portion Fachwissen in Medizin und Technik sowie spezialisiertem Wissen über korrekte Strahlungsmessung und Strahlenschutz, aber auch in viel Praxis, die man bei dieser berufsbegleitenden Ausbildung erfährt. Am ehesten würde ich es mit einer Ausbildung zum Facharzt nach einem Medizinstudium vergleichen. Mit dem Unterschied, dass wir Physiker sind.
 

Wie lief das bei Ihnen?

Ich habe meine Ausbildung während meiner Zeit am Allgemeinen Krankenhaus in Wien, der grössten österreichischen Universitätsklinik, absolviert. Neben einem Doktorrat in der Universitätsklinik für Strahlentherapie hatte ich in diesem Umfeld die Gelegenheit, einen ersten Einblick in wirklich fast alle Teilbereiche der Medizinischen Physik zu erlangen. Seit 2008 bin ich zertifizierter Medizinphysiker. Im Jahr 2016 wurde ich von der Schweizerischen Gesellschaft für Strahlenbiologie und Medizinische Physik (SGSMP) als Medizinphysiker anerkannt. Das ist die gesetzlich vorgeschriebene Voraussetzung, um als Medizinphysiker in der Schweiz eigenverantwortlich arbeiten zu dürfen. Am Kantonsspital Graubünden bin ich seit Herbst 2019 tätig.
 

Es gibt ja auch Strahlung ausserhalb eines Spitals. Was für Strahlung ist das und muss man sich davor auch schützen?

Ja klar, die Strahlung im Rahmen von medizinischen Anwendungen ist nur ein Teil der Exposition, der die Bevölkerung ausgesetzt ist. Daneben gibt es noch weitere vom Menschen verursachte und eben auch natürliche Strahlungsquellen. Insbesondere vor den natürlichen Quellen ist es aber nicht so einfach, sich zu schützen. Die gute Nachricht ist, dass wir dieser Strahlung schon seit Menschengedenken ausgesetzt waren und unser Körper gelernt hat, damit in einem gewissen Mass auch umzugehen. Es gibt körpereigene Reparaturmechanismen, die gut funktionieren, solange die Intensität und die Strahlendosis nicht zu stark Überhand nehmen.
 

Also muss man sich vor natürlichen Strahlenquellen nicht schützen?

Nein, das ist natürlich nicht richtig. Vielflieger sind zum Beispiel einem erhöhten Mass an kosmischer Strahlung ausgesetzt, insbesondere, wenn sie häufig Routen über die Pole fliegen. Das fliegende Personal von Fluggesellschaften zählt deshalb schon seit geraumer Zeit auch zum beruflich strahlenexponierten Personal und die Dosis wird überwacht. Dagegen tun kann man trotzdem nicht viel, ausser weniger zu fliegen.
 

Man hört immer wieder von Radon als gefährlicher Strahlenquelle. Was ist Radon und wo kommt es vor?

Radon ist ein radioaktives Edelgas, das beim Zerfall von natürlich vorkommendem Uran entsteht und in allen Gebieten mit viel Urgestein – also besonders in den Alpen – sehr präsent ist. Radon diffundiert als Edelgas leicht aus dem Untergrund und sammelt sich, weil es schwerer ist als Luft, üblicherweise in Kellerräumen an. Das kann zu einer erheblichen Strahlendosis für Hausbewohner führen, wenn Fundamente nicht besonders dicht sind. Die Behörden empfehlen in solchen Fällen deshalb bauliche Sanierungen. Neben dem Bundesamt für Gesundheit (BAG) ist für solche Fragestellungen auch die Eidgenössische Kommission für Strahlenschutz zuständig.