Leas turbulenter Start ins Leben 03. Aug. 2021 Die kleinen und grossen Kämpfer… Die Helden unserer Station. Von jetzt auf gleich ändert sich das komplette Leben einer ganzen Familie: Eltern erzählen hier von ihren Sorgen, Ängsten, Gefühlen und Erfahrungen während des Aufenthalts auf der Kinderintensivstation (KIPS) nach einem einschneidenden Erlebnis. Sie möchten mit ihrer Geschichte anderen Familien Mut machen und Hoffnung schenken. Lesen Sie hier die Geschichte von Lea. Nach einer komplikationslosen und guten Schwangerschaft wurde unsere Tochter sieben Tage nach dem errechneten Termin per Notfallkaiserschnitt geboren. Was wir in den folgenden drei Wochen erlebt haben, konnten wir uns im Voraus nicht ansatzweise vorstellen. Nur zwölf Stunden vor Geburtsbeginn war in der Schwangerschaftskontrolle alles in bester Ordnung. Mit den um Mitternacht einsetzenden Wehen freuten wir uns auf den ersehnten neuen Abschnitt in unserem Leben. Unsere Tochter wurde mit dem CTG-Gerät überwacht, die Geburt schritt gut voran. Nach einem kurzen Abstecher in die Badewanne verschlechterte sich ihr Zustand rapide. Ein Untersuch zeigte, dass der Muttermund bereits neun cm geöffnet war. Der herbeigerufene sehr erfahrene Arzt stellte ebenfalls fest, dass der Zustand des Kindes sich verschlechtert hatte und empfahl uns nach einigen weiteren Abklärungen, einen Kaiserschnitt durchzuführen.Da gerade ein wunderbarer Wintersporttag anbrach, sollte die Operation noch vor dem Ansturm der Piste durchgeführt werden. So ging es schnell und unsere Tochter war 45 Minuten nach dem Entscheid zum Kaiserschnitt auf der Welt. Lea wurde im Vorzimmer untersucht und sollte dann gemäss den Informationen der Ärzte gleich zu uns gebracht werden. Nach einigen Minuten wurde dann, anstatt das Kind zurückgebracht, der Papa ins Vorzimmer gerufen. Irgendwann hörte ich das Wort „Rega“. Die Anästhesiepflege informierte mich darüber, dass unsere Tochter Mühe mit der Atmung habe und deswegen für eine Abklärung nach Chur gebracht werde. Auf dem Weg in den Aufwachraum habe ich das kleine Menschlein ganz kurz gesehen, umgeben von Fachleuten die ihr Mögliches taten, um den Zustand unserer Tochter zu stabilisieren. Die Rega brachten kurze Zeit später die Kinderärztin und eine Pflegeexpertin von der KIPS. Alle zusammen versorgten das Kind und bereiteten es auf den Transport nach Chur vor. Der Papa durfte die ganze Zeit dabei sein und zuschauen, ihm wurden alle Handlungen detailliert erklärt und er konnte Fragen stellen. Kurz vor dem Abflug durfte ich unsere Tochter durch eine Öffnung in der Isolette berühren. Der Anblick von diesem kleinen Kind mit all den Schläuchen und Geräten in der Isolette ist unwirklich – ich kann mich nicht mehr gut daran erinnern, aber bin allen Beteiligten sehr dankbar, dass sie mir diesen kurzen Moment der Berührung ermöglicht haben! Überfordert mit der Situation konnten wir die Geschehnisse nicht einordnen. Zurück im Gebärsaal erhielten wir ein ausgedrucktes Foto der bereits intubierten Lea. Dieses Bild war in dem Moment der einzige Beweis, dass unsere Tochter wirklich auf die Welt gekommen war. Der Papa rief 30 Minuten nach dem Abflug wie abgemacht auf der KIPS in Chur an. Die zuständige Ärztin informierte zuerst ihn und dann die anwesenden Ärzte über den kritischen Zustand von Lea. Sofort wurde mein Transport und ein freies Bett im Fontanaspital organisiert. Als wir auf der KIPS angekommen sind, wurden wir von der Ärztin und den Pflegenden über die Situation ausführlich informiert. Unsere Tochter konnte nach der Geburt nicht atmen und deswegen haben auch andere lebenswichtigen Funktionen im Körper nicht gearbeitet. Wegen dem Sauerstoffmangel wurde in Chur sofort eine Kühltherapie gestartet, weitere Untersuchungen und Abklärungen liefen. Am frühen Abend durften wir unsere kleine Tochter das erste Mal in Ruhe betrachten. Sie lag intubiert und an vielen Infusionen angehängt auf einer Kühlmatte. Wir freuten uns zu diesem Zeitpunkt einfach unglaublich darüber, dass dieses friedlich schlafende Kind lebte. Bild Lea auf der KIPS Die Atmosphäre auf der KIPS war ruhig und bedacht, die Handlungen an der kleinen Patientin wurden konzentriert ausgeführt. Niemand konnte uns sagen, was in den letzten Momenten der Geburt passiert war – wir fanden uns auf der KIPS in einer Situation wieder, die wir uns vorher nicht vorstellen konnten! Wir machten Fotos und bestaunten die kleine Lea. Ermutigt von der Pflegefachfrau getrauten wir uns, sie auch sanft zu berühren. Im Wissen, dass der Zustand nach wie vor kritisch ist, verliessen wir an diesem Abend die KIPS. In der Nacht konnten wir uns jederzeit telefonisch über den Zustand von Lea informieren. Die zuständige Pflegefachfrau erläuterte uns detailliert, was aktuell gemacht wurde und wie sich die Werte entwickeln.Diese Telefonanrufe waren für uns auch in den kommenden Nächten sehr wichtig. In den nächsten Tagen waren wir häufig am Bettlein von Lea und haben ihre Entwicklung daher sehr nah miterlebt. Unsere Erleichterung und Freude war riesig, als uns mitgeteilt wurde, dass Lea „über den Berg“ sei. Obwohl noch sehr viele Fragen zu ihrem Zustand und den möglichen Hirnschäden offen waren, freuten wir uns über die besser werdenden Werte an den Monitoren. Sämtliche Begriffe, Therapien und mögliche Krankheiten waren uns bis dahin vollkommen unbekannt. Die ausführlichen Informationen der Ärzte und Pflegenden waren immer verständlich, ehrlich und offen und wir haben in diesen Tagen sehr viel über die medizinischen Möglichkeiten an Neugeborenen gelernt. Nach 72 Stunden Kühlung wurde Lea während 48 Stunden langsam aufgewärmt. Dies war ein heikler Moment in der Therapie, der jedoch gut verlief. Die kleine Lea konnte am fünften Tag selbstständig atmen und der Tubus konnte entfernt werden, auch diverse Medikamente konnten dadurch reduziert oder ganz weggelassen werden. Mit der wertvollen Unterstützung der KIPS-Mitarbeitenden durften wir unsere Tochter trotz der Infusionen und Messinstrumente in den Arm nehmen – ein unbeschreibliches Gefühl den warmen Körper und die Atemzüge zu spüren und im Wissen, dass alle Beteiligten einen grossartigen Einsatz geleistet haben.Das MRI und die während der Kühltherapie durchgeführten Hirnmessungen zeigten keine Auffälligkeiten, was alle Beteiligten ausserordentlich freute. Seit der Geburt von Lea ging es nur aufwärts und so freuten wir uns, die KIPS bald verlassen zu dürfen.Zu diesem Zeitpunkt konnte sich noch immer niemand richtig erklären, was an der Geburt genau passiert war. Nur wenige Stunden nach dem guten Bericht über ihre Entwicklung haben Spezialisten des Kinderspital Zürich die zuständigen Ärzte der KIPS über den Verdacht auf eine Stoffwechselkrankheit informiert. Eine Blutprobe nach der Geburt wurde in einem Screening untersucht und führte nun dazu, dass unsere Tochter am nächsten Morgen früh wiederum in der Isolette verpackt mit der Rega nach Zürich verlegt wurde. Der Transport wurde von der zuständigen Ärztin und einer vertrauten Pflegeperson begleitet was für uns als Eltern sehr wichtig war. Dieser Moment war für uns schwierig, da wir uns an die bis dahin positive Entwicklung „gewöhnt“ hatten. Wir mussten lernen auch mit Rückschritten umzugehen und wollten als frischgebackene Eltern nicht in das Kinderspital nach Zürich, wir hatten Angst. Der Gedanke, dass alle nur das Beste wollen, gab uns Hoffnung. Um offene Fragen zum Gesundheitszustand des Kindes zu klären, werden bekannte Spezialisten aus anderen Spitälern konsultiert und mit etwas Abstand sind wir froh und dankbar über diesen professionellen Austausch.Noch am gleichen Tag wurden wir in Zürich von der zuständigen Spezialistin über die Situation und die mögliche Stoffwechselkrankheit ausführlich informiert. Diese wiederum sehr offene und ehrliche Kommunikation hat uns geholfen, mit der schwierigen Situation zurecht zu kommen. Lea hatte plötzlich sehr hohes Fieber, was alle Beteiligten beunruhigte, da verschiedene Ursachen in Frage kamen. Mit der richtigen Therapie konnte das Fieber bis zum nächsten Abend eingedämmt werden. Die neuen Blutuntersuchungen zeigten viel bessere Werte und so konnten uns die Spezialisten auch schon bald Entwarnung geben: Die vermutete Stoffwechselkrankheit konnte ausgeschlossen werden und so durfte Lea auch wieder über die Magensonde etwas Muttermilch trinken. Das bis dahin noch stark schwächelnde Magen-Darm-System beruhigte sich langsam und funktionierte bald „normal“. Weitere kardiologische und neurologische Abklärungen wurden mit dem Ultraschallgerät direkt am Bett durchgeführt und wir durften jederzeit dabei sein und den Spezialisten unsere Fragen stellen. Die vielen kranken Kinder auf der Station beschäftigten uns und wir schätzten uns sehr glücklich, dass sich Leas Zustand jeden Tag verbesserte. Das Fieber verschwand bald gänzlich und dank der Reduzierung des Morphins kehrte mehr Leben ein und das Kind wurde aktiver und interagierte immer mehr. Nach weiteren fünf Tagen durfte Lea zurück nach Chur und wir freuten uns auf das Widersehen mit den bekannten Gesichtern von der KIPS. Der Transport wurde wiederum von einem Arzt und einer Pflegeperson begleitet. Zurück auf der KIPS musste Lea noch eine Nacht auf der Überwachungsstation bleiben. Sie war in einem sehr guten Zustand, die Sauerstoffsättigung war stabil und die Blutwerte waren gut. Die Infusionen und Medikamente konnten nach und nach reduziert werden. Mit Hilfe der Pflegepersonen durften wir unsere Tochter das erste Mal baden. Lea genoss das warme Wasser und für uns kehrte zum ersten Mal so etwas wie Normalität ein. Uns wurde auch gezeigt, wie wir die kleine Lea ins Tragetuch nehmen können und so fühlte ich mich dem „Mamasein“ trotz dem mitzutragenden Infusionsständer etwas näher. Mit viel Hoffnung und grosser Dankbarkeit verliessen wir die KIPS schliesslich in Richtung der Kinderstation. Unser grösster Respekt gilt allen Mitarbeitenden, die diese schwierige Situation für uns als Familie so einfach wie nur möglich gemacht haben. Uns bleiben die ehrlichen und offenen Gespräche, die jederzeit fürsorgliche und kompetente Betreuung, die ruhige Atmosphäre auf der KIPS und die interessanten Informationen in sehr guter Erinnerung. Trotz der Maskenpflicht konnten wir die Freude und das Lächeln des KIPS-Teams bei jedem positiven Schritt der kleinen Lea fühlen! Dank dem grossartigen Einsatz aller Beteiligten sind wir nur drei Wochen nach der Geburt auf einem sehr guten Weg. Bild Lea nach dem Spitalaufenthalt