Gewalt muss bewiesen werden können | Kantonsspital Graubünden

Gewalt muss bewiesen werden können

10. Okt. 2023
Mit der Forensic-Nursing-Sprechstunde erhalten Opfer von Gewalt die Möglichkeit, Beweise für ihr erfahrenes Leid anonym und kostenlos festzuhalten.

Wer Gewalt erfahren hat und sich Hilfe holen möchte, kann unter Umständen darauf angewiesen sein, die erfahrene Gewalt beweisen zu können. Nebst möglichen Gründen wie Angst oder Scham ist dies für viele eine zusätzliche Hürde. Umso wichtiger ist es, diese Hürde so klein wie möglich zu halten. Genau dafür ist die Forensic-Nursing-Sprechstunde des Kantonsspitals Graubünden (KSGR) da.
 

Wichtig, anonym und kostenlos

Nur, wenn Gewalt dokumentiert ist, haben Opfer etwas in den Händen, um dagegen vorzugehen. Eine Anzeige bei der Polizei ist jedoch keine Voraussetzung, um das Angebot der Forensic-Nursing-Sprechstunde zu nutzen. «Egal, ob die Opfer etwas dagegen unternehmen wollen oder nicht, sollten sie diese Möglichkeit wahrnehmen», erklärt Marc Bollmann, Chefarzt des Instituts für Rechtsmedizin am KSGR und ergänzt: «Die Anonymität der Personen, die zu uns in die Sprechstunde kommen, ist enorm wichtig.» So müssen Personen, die das Angebot wahrnehmen, nicht zur Patientenaufnahme, sondern vereinbaren direkt beim Sekretariat der Forensic-Nursing-Sprechstunde einen Termin.

Die Sprechstunde wird durch Pflegefachpersonen durchgeführt, die eine entsprechende Weiterbildung absolviert haben. Alle fallbezogenen Informationen und Daten werden streng geschützt und sind nur einer Handvoll Personen zugänglich. Selbstverständlich unterstehen die Mitarbeitenden wie im Spital üblich der Schweigepflicht und arbeiten zudem mit einem vom übrigen Spital getrennten System. Das Angebot ist kostenlos und es wird auch keine Krankenkassenkarte benötigt. Der Kanton Graubünden finanziert die Leistung vollumfänglich.
 

Von der Anmeldung…

Wer die Sprechstunde aufsuchen möchte, muss einen Termin vereinbaren, da die Forensic-Nursing-Sprechstunde keinen Notfallbetrieb hat. Zum Termin werden die Patientinnen und Patienten von einer speziell ausgebildeten Pflegefachperson an einem vereinbarten Treffpunkt im Spital abgeholt.
 

…über die Untersuchung…

In geschützter und vertraulicher Atmosphäre wird der Fall aufgenommen. Durch gezielte Fragen stellen die Mitarbeitenden der Sprechstunde sicher, dass nichts Wichtiges vergessen geht. Spuren von Gewalt am Körper werden beschrieben und mit Fotos dokumentiert.
 

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Forensic Nursing Blog 03

…bis zur Dokumentation

Nach der Untersuchung erhalten die Patientinnen und Patienten Informationen über weitere nützliche Möglichkeiten und Angebote. So erhalten sie Klarheit darüber, wie die nächsten Schritte aussehen könnten. Zudem entsteht nach der Sprechstunde die Dokumentation. Die ereignisrelevanten Informationen werden in einem Bericht zusammengefasst, eventuell vorhandene Verletzungen beschrieben und die relevanten Fotos ausgedruckt. Ein spezialisierter Arzt kontrolliert die Dokumentation und unterzeichnet diese zusammen mit der Forensic Nurse. Je nach Wunsch der Patientin respektive des Patienten wird die Dokumentation per Post verschickt, nach Terminvereinbarung von der untersuchten Person abgeholt oder im Spital archiviert. «Die Entscheidung darüber liegt bei der Patientin oder dem Patienten», erklärt Bollmann.
 

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Forensic Nursing Blog 01

Hürden zum Beweis von Gewalt abbauen

Pro Jahr behandelt die Notfallstation des Kantonsspitals Graubünden ungefähr 100 Fälle, die auf Gewaltausübung zurückzuführen sind. «Je einfacher es ist, nach erfahrener Gewalt Unterstützung zu erhalten, desto eher helfen wir mit, dass genau das geschehen kann.»

Weitere Informationen auf der Website Forensic Nursing.